Dem Sinn des Lebens auf der Spur

Selbstverwirklichung wird in der Psychotherapie oder Gestalttherapie beschrieben als ein seelischer Prozess, in dem ein Mensch, von äußeren Einflüssen und Zwängen befreit, seine eigenen Potenziale entfaltet. Mit anderen Worten, als eine aktive Hinwendung zu sinngebenden Bedürfnissen, zum Sinn des eigenen Lebens und Projekten, auch wenn sie gegen Vorstellungen und Vorbehalte aus unserer Umgebung stoßen.

Selbstverwirklichung und Egoismus

Selbstverwirklichung ist ein zentraler Begriff der humanistischen Psychologie und geht zurück auf den deutschen Psychiater Kurt Goldstein. Menschliches Leben findet demnach in einem immer währenden Spannungszustand statt: zwischen dem „Sein in Unordnung“ und dem „Sein in Ordnung“. In uns angelegt ist aber eine kontinuierliche Dynamik, in den Zustand der Ordnung zu gelangen. Dies hat nichts zu tun mit der heutigen teilweisen Gleichsetzung von Selbstverwirklichung mit Egoismus. Sind wir im Kontakt mit unserem Selbst, wird Selbstverwirklichung zu einem schöpferischer und letztendlich tief verbindenden Prozess, der umso wahrnehmbarer wird, je deutlicher Entwicklungsschritte anstehen.

Im Laufe unseres Lebens gibt es mehrere Phasen, in denen das Thema Selbstverwirklichung an Bedeutung gewinnt. In der Pubertät, im Zusammenhang mit der Berufswahl, dann wenn Kinder womöglich das Haus verlassen und sicher noch einmal am Ende der aktiven Arbeitsphase und wir die Frage stellen, welchen Weg unser weiteres Leben nehmen soll. Nicht immer nehmen wir diese Chance zur Frage nach dem Sinn auch als solche wahr.

Die moderne Forschung lehrt, dass jeder Mensch bereits vorgeburtlich die Sehnsucht und Fähigkeit mitbringt, jeden Tag ein Stück über sich hinaus zu wachsen. Diese Sehnsucht ist nicht bei allen Menschen gleich stark ausgeprägt. Manche geben sich zufrieden mit dem aktuellen Zustand, andere haben Angst vor der Veränderung und wieder andere machen sich auf den Weg, weil sie spüren, dass sich etwas verändern muss.

Der Weg der Veränderung

Wer sich entscheidet, diesen Schritt der Veränderung zu gehen, stößt nicht immer auf Verständnis und häufig auf Widerstände. Daher braucht es Mut, diesen Schritt zu gehen. Die Motivation liegt oft in einer Lebenskrise begründet oder in der Gewissheit, dass wenn ich diesen Schritt nicht gehe, ich krank oder unglücklich sein werde.

„Erlange Selbstverwirklichung und du wirst die ganze Welt in deinem Selbst finden.“

Laotse

Selbstverwirklichung ist eine wesentliche Säule der seelischen Gesundheit und man geht heute davon aus, dass der Prozess der Selbstverwirklichung permanent in uns angelegt ist. Viele Menschen führen zwar nicht das Leben, das sie sich wünschen oder führen möchten. Doch ist Unzufriedenheit oft ein Zeichen, dass wir unsere Bedürfnisse nicht bewusst wahrnehmen und uns zu viel zurücknehmen, unsere Sehnsucht nach Selbstverwirklichung aus Angst unterdrücken. Das Anwachsen der Zahl an Menschen die an Burnout oder gar chronischer Depression erkranken, ist hierfür ein Zeichen.

Selbstverwirklichung fängt mit einer eigenen bewussten Wahrnehmung an, mit dem Spüren dessen, was ist und wohin mein Sinn und Streben sich wendet, was ich tun oder erreichen möchte.

Diese Bedürfnisse dann zu leben, die ich mir bisher verwehrt habe, z. B. weil meine Eltern oder mein Partner dagegen waren, weil mein Vertrauen in mich selbst, durch Ereignisse, die viele Jahre zurückliegen, vermindert wurde, erfordern Mut. Unterstützung durch die Familie, enge Freunde oder Freundinnen oder durch eine Psychotherapie können hierbei helfen.

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