Ebenen der Paarkonflikte

Konflikte sind in der Paarbeziehung unvermeidlich. Diese Konflikte konstruktiv lösen zu können, ist ein Zeichen einer gut funktionierenden Paarbeziehung. Fällt dies schwer ist es hilfreich zu schauen, auf welcher Ebene der Interaktion sich das Paar gerade befindet. Gleichzeitig gilt es zu erkennen, ob der Konflikt auch in tiefere Ebenen greift. Eine professionelle Paarberatung oder – therapie ist hierbei hilfreich.

Tina und Thomas

Nehmen wir an Tina und Thomas streiten sich über die Frage, ob Tina ein halbes Jahr beruflich ins nähere Ausland geht. Hierbei wäre sie vier Tage in der Woche nicht zuhause. Ihre Tochter Marie ist 4 Jahre alt und geht seit einem Jahr in den Kindergarten, in dem sie sich sehr wohl fühlt. Eine Betreuung außerhalb der Kindergartenzeit wäre bei den Großeltern möglich. Thomas arbeitet als Lehrer. Sobald das Thema angeschnitten wird, verhärten sich die Fronten. Tina möchte diese Chance nicht verpassen. Thomas weist darauf hin, dass sie ihre Tochter nicht bekommen hätten, um sie immer weiter „abzugeben“. Tina wird sehr schnell laut und Thomas zieht sich dann mehr und mehr zurück. Hinzu kommen Vorwürfe, die mit dem eigentlichen Konflikt nur am Rande oder gar nicht zu tun haben. Beide drehen sich im Kreis. An dieser Stelle suchen sie Unterstützung in einer Paartherapie.

Eine Paarbeziehung hat viele Ebenen

Eine Paarbeziehung hat vier unterschiedliche Ebenen, die in einer Paartherapie miteinzubeziehen sind.

Es gilt zunächst zu unterscheiden zwischen der Ebene der dysfunktionalen Interaktion und der Ebene der gegenwärtigen Lebenssituation. Dann gibt es zwei weitere Ebenen, die sich mit unerledigtem aus der Vergangenheit beschäftigen. Gestalttherapeutisch bezeichnet man dies als sogenannte „unfinished business“. Hiermit werden Erfahrungen und Begegnungen der Vergangenheit bezeichnet, die noch nicht abgeschlossen sind und unbewusst den Alltag erschweren.

Hierbei gibt es Unerledigtes aus der eigenen Paar-Geschichte und dann natürlich Unerledigtes aus den jeweiligen Herkunftsfamilien.

Am Beispiel von Tina und Thomas lassen sich diese vier Ebenen sehr gut verdeutlichen. 

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Ebene der dysfunktionalen Interaktion

Die erste Ebene wird als Ebene der dysfunktionalen Interaktion bezeichnet. Es sieht hierbei so aus, dass die Art und Weise, wie sie sich beide über ihren Konflikt unterhalten, zu nichts führt. Je mehr der eine insistiert, desto mehr zieht sich der andere zurück und der Kontakt bricht ab. Dies kann durchaus als Teufelskreis bezeichnet werden, in den beide sich verstricken. Wichtig wäre es an dieser Stelle, zum Beispiel als Intervention, deutlich zu machen, dass beide eine neue Form der Kommunikation finden müssen, um zu einem Ergebnis zu kommen. Auf dieser Ebene könnte das Problem zunächst bearbeitet werden.

Dies ist ein wesentlicher Punkt, und häufig verbessert sich die Kommunikation alleine schon dadurch, dass ein neutraler Dritter dabei ist. Prägungen der Vergangenheit wird weniger leicht nachgegeben und kindliche Muster wie Wut oder Trotz vermieden.  Dies kann genutzt werden um am Prozess weiterzuarbeiten.

Eben der gegenwärtigen Lebenssituation

Denn vielbedeutender ist an dieser Stelle, wie beide ihr Leben organisieren. So kommen wir zur Ebene der gegenwärtigen Lebenssituation. Thomas hat seine Stundenzahl, seit Marie auf der Welt ist, deutlich reduziert. Tina ist sehr erfolgreich in ihrer Firma und hat gute Aussichten ihre Karriere weiter voranzutreiben. Thomas hat Angst noch weniger Zeit für die Schule zu haben und eine Funktionsstelle zu verpassen. Beide wollten zu Anfang Familie und Beruf miteinander verbinden. Als Marie kam, geriet ihr Zusammenleben jedoch aus der Balance. Die Gleichwertigkeit war ihnen abhandengekommen. Mit dem möglichen Auslandsaufenthalt von Tina gerät die Beziehung nun vollends in Schieflage.

Eine mögliche Intervention könnte an dieser Stelle die Frage sein, wie sich eine Balance zwischen Beruf und Familie wiederherstellen lassen kann. Erst wenn darüber Einigkeit erzielt wird, kann die Frage nach dem Auslandsaufenthalt entschieden werden.

Ebene des Unerledigten aus der Paargeschichte

Sehr schnell kommen beide jedoch dann auf die nächste Ebene, die des Unerledigten aus der Paar-Geschichte. Denn beide haben ihre Vorstellungen wie genau eine Zukunft mit Familie und beiderseitiger Berufstätigkeit aussehen könnte nie wirklich ausgetauscht. Es gab keine Übereinkunft, wie mit weiteren Karriereschritten umzugehen wäre. Als Marie geboren wurde, sah Thomas sich mehr beim Kind und Tina in der Rolle Karriere zu machen.

Im Konflikt um den Auslandsaufenthalt wird deutlich, dass beide ihre ursprüngliche Übereinstimmung nie wirklich überprüft haben. Ihre Vorstellungen wie ein Leben mit Kind, Schule und Karriere aussehen könnte, waren von Anfang an sehr unterschiedlich. Eine Aufgabe könnte an dieser Stelle sein, in die Auseinandersetzungen um genau diese Vorstellungen zu gehen.

Ebene des Unerledigten aus der Herkunftsfamilie

Sehr schnell geraten beide dann auf die vierte Ebene, die Ebene des Unerledigten aus den Herkunftsfamilien. Tina lebt in ihrer Karriere das Leben ihres sehr erfolgreichen und bewunderten Vaters weiter. Tinas Vater, der bereits zwei Herzinfarkte hinter sich hat, spornt sie in ihrem Streben zudem weiter an. Thomas hat das Bild seiner in ihrer Rolle aus Hausfrau sehr unglücklichen und depressiven Mutter im Kopf. Thomas war lange Zeit der Trostpartner seiner Mutter und fühlte sich völlig zu Unrecht verantwortlich für ihr Unglück. Ein Selbstmordversuch der Mutter konnte nur mit Glück verhindert werden. Tina hat den Auftrag: „Werde so wie dein Vater“. Thomas hat den Auftrag: „Das Leben seiner Mutter zu retten.“ Es wird an dieser Stelle offenbar, dass sie sich in Bezug auf den Auslandsaufenthalt nicht einigen können, weil beide in ihrem Lebenskonzept Aufträge der Eltern erfüllen wollen. Es ist daher wichtig zu fragen, was beide als Frau, als Mann und als Paar selbst möchten, losgelöst von ihrer Loyalität den Eltern gegenüber. Erst wenn sich beide über ihre eigenen Vorstellungen im Klaren sind und es schaffen sich von ihren unbewussten Intentionen zu befreien, können sie den Konflikt erfolgreich lösen.

Es ist selten, dass alle vier Ebenen von Anfang in der Therapie zur Sprache kommen oder gesehen werden. Manchmal reicht es auch, nur auf einer, zwei oder drei Ebenen zu arbeiten. Viele häufiger ist es allerdings, dass die jeweiligen Lebensgeschichten der Partner in der Paarbeziehung eine zwar unbewusste, aber gewichtige Rolle spielen. Es ist in jedem Fall hilfreich, sich hierbei professionelle Unterstützung zu suchen.

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